Gastbeitrag: Zwischen London und Berlin
Hello everyone from London!
Isa gibt mir hier heute die Gelegenheit, euch
auf ihrem schönen Blog einmal von unserem Leben in London zu berichten. Wir
leben bereits seit vier Jahren mit zwei Töchtern in London und seit drei Jahren
blogge ich über unser Leben auf BerlOndon – Mama. Vor einem halben Jahr
ist nun auch ein weiteres “Online-Baby” hinzugekommen, weil ich mich sehr viel
mit dem Thema “Au Pair” auseinandersetze. Auf THE HOSTMUM versuche ich Gasteltern und Au
Pairs auf eine Wellenlänge zu bringen, was die gegenseitigen Erwartungen
angeht.
Auf Au Pairs sind wir deshalb gekommen, weil
die alternativen Kinderbetreuungsmöglichkeiten für uns alles andere als ideal
waren. Und auch ganz anders, als man das aus Deutschland kennt. Genauso das
Teilzeit-Arbeiten, was hier doch eher die Ausnahme ist.
Dieser Unterschied brachte mich auf die Idee, euch einmal von jenen Dingen zu
berichten, auf die wir bei unserem Umzug nach London weniger vorbereitet waren.
Die Sache mit der Kinderbetreuung
in London
Das Kinderbetreuungssystem ist doch sehr
anders als man es aus Deutschland kennt. Bis vor einiger Zeit gab es eigentlich
keine öffentliche Kinderbetreuung für Kinder unter 3 Jahren. Seit kurzem gibt
es die Möglichkeit einer staatlichen Förderung von Kinderbetreuung für Kinder
ab zwei. Allerdings ist das die totale Ausnahme – zumindest kenne ich
niemanden, der diese Stunden bekommt.
Dieser Umstand führt dazu, dass es viele
private Kindergärten gibt. Und diese sind, zumindest in London, sehr
nachgefragt und aufgrund der hohen Nachfrage, auch sehr teuer.
Man bucht in der Regel daher auch nur die
Tage, an denen wirklich beide Eltern arbeiten und kann dann die Kinder ca von
8:00 – 18:00 Uhr abgeben. Meistens bieten die Nurseries einen zusätzlichen
“Früh”- bzw. “Spätdienst” an, der dann extra bezahlt wird.
In nur wenigen privaten Kitas kann man halbe
Tage buchen, selbst wenn es dafür eine große Nachfrage besteht. Die Sicherheit,
den Kindergarten komplett auszulasten ist den meisten Kindergärten wohl
wichtiger und so gibt es selten halbe Tage. Und für ganze Tage gehen die Preise
bei uns bei 70 GBP pro Tag los. Wenn ein Kind 5 Tage in die private Nursery
geht, ist man schnell man nen Betrag von über 20.000 GBP für ein Kind pro Jahr
los! “Mengenrabatt”, wenn zwei Kinder im selben Kindergarten sind, gibt es auch
kaum.
Uta vom Blog BerlOndon – Mama |
Von daher haben wir uns schon ziemlich
umgeschaut, als wir frisch nach London gezogen sind und uns nach einem
Halbtagskindergarten für die damals knapp 3-Jährige umgesehen haben. Zumal ich
da noch nicht gearbeitet habe und eigentlich nur wollte, dass sie die Routine
beibehält und weiter Englisch lernt.
Erst 2014, als sie am 1. September 3 Jahre alt
war (Dreidreiviertel in ihrem Fall), ist sie in die kostenlose Schulnursery
gekommen, in der sie jeden Tag für drei Stunden war. Diese 15 Stunden Betreuung
sind so ungefähr das, was es hier an staatlich geförderter Kinderbetreuung
gibt. Manche Schoolnurseries nehmen auch unterjährlich die dann 3 Jahre alten
Kinder auf und manche öffentliche Schulen bieten sogar mehr Stunden an. Und
wenn die Kinder auch nachdem sie 3 Jahre geworden sind, weiter in eine private
Nursery gehen, kann man die Förderung dort anrechnen. Allerdings sind die
privaten Nursery-Stunden viel teurer, so dass man nicht 1:1 einfach mal 15
Stunden private Nursery weniger bezahlt. Die Verrechnung dieser Stunden ist
irgendwie recht undurchsichtig.
Für uns war zu der Zeit, als ich wieder mit
dem Arbeiten anfing und zwei Kinder betreut werden mussten, eigentlich nur ein
Au Pair die einzige sinnvolle Lösung. Die Kinder waren zeitweise in den
verschiedenen Kindergärten und später Schule und für die Stunden herum brauchte
ich halt etwas flexibles. Und ich wollte halt gerne auch jemanden, der mit den
Kindern deutsch spricht, wenn ich weg bin.
Wir sind mit deutschen Au Pairs mit wenigen
Ausnahmen, auch bisher überwiegend sehr gut gefahren.
Der Unterschied zwischen
deutschen und englischen Schulen
Der offensichtlichste Unterschied zwischen
deutschen und englischen Schulen ist sicher die Schuluniform, die die
englischen Schüler tragen. Ich bin ein ziemlicher Fan davon, weil ich sonst
ewig lange Diskussionen vor dem Kleiderschrank hätte.
Ein weiterer Unterschied ist, dass die Schule
hier morgens später als in Deutschland anfängt. Die meisten Schulen fangen so
um 8:45 Uhr an, soweit ich informiert bin. Das finde ich deshalb auch sehr
interessant, weil man ja immer mal wieder liest, dass viele Kinder um 8:00 Uhr
morgens einfach noch nicht aufnahmefähig sind…
Und die englische Grundschule geht auch länger
und zwar jeden Tag gleich lang und auch für alle Klassen von Vorschule bis zur
6. Klasse. Die Schule hört ca. um 15:15 Uhr auf. Es fallen weder Stunden aus,
noch gibt es Hitzefrei. Das finde ich als Mama heute sehr gut (weil
berechenbar) und ich frage mich, wie das eigentlich früher organisiert wurde,
wenn es plötzlich kurzfristig Hitzefrei gab. Sicher hat da seltenst eine
Telefonkette der Eltern funktioniert…
Beefeater in London |
Erstaunlich ist, wie sie es in englischen
Schulen zu verstehen wissen, dass die Schüler – trotz eines sehr frühen und wie
ich finde hohen Drucks – gerne zur Schule zu gehen. Meine Schwester meinte
einmal, es würde wohl in Deutschland einen Aufschrei geben, wenn die Kids jede
Woche am Freitag in der Schule Fernsehen dürften. Ich muss sagen, da die
Schultage sehr lang sind und die Woche dadurch schon wirklich anstrengend,
finde ich, dass die Kinder sich das am Ende der Woche schon verdient haben.
Übrigens nur die Kinder, die in der Woche keine gelbe oder rote Karte bekommen
haben: Da haben sie gleich ein effektives Druckmittel 😉
Und sie benutzen auch sehr intensiv
Belohnungen: “Star of the Week”, “Helper of the Week” etc sind nur einige der
Badges, die sie an Kinder, die positiv aufgefallen sind, ausgeben. Mal ganz
abgesehen von dem House-Point-System ala Harry Potter, dass zu einem
regelrechten Wettkampf zwischen den vier School Houses führt.
Star of the day-Badge |
Der öffentliche Nahverkehr zur
Rush Hour
Ich kann definitiv bestätigen, dass es die
britische Höflichkeit gibt: Erst wenn man Briten besser kennenlernt, gewähren
sie einem tiefere Einblicke in ihre Seele/ ihre Familie, vorher wahrt man eine
gewisse Fassade. Wenn ich flüchtigen Bekannten erzählt habe, dass mir die Große
wegen irgendetwas total auf den Keks geht oder sich hier oder da völlig daneben
benommen und zum in die Tonne treten war, wurde ich immer etwas schief
angeschaut 😉
Heute höre ich aber auch ab und zu mal ein
negatives Wort von Britischen Freunden und Bekannten über die eigenen Kinder,
obwohl sich das sicher nicht gehört!
Smalltalk wird hier extrem hochgeschrieben und
wenn man den nicht beherrscht (oder wie ich einfach auch manchmal keine Lust
dazu hat), eckt man gerne auch mal an. Bei der Arbeit muss man jegliche Kritik
auch immer in Watte packen oder bei Verbesserungsvorschlägen super vorsichtig
vorgehen, weil man den gegenüber ja nicht verletzen will.
Ich erlebe gerade zum zweiten Mal, dass einige
britische Kollegen nicht besonders angetan von mir sind, weil ich mich eben
nicht komplett an die Briten anpassen kann und ich nach wie vor eher direkt
bin.
Aber die Britische Höflichkeit hat dann ein
Ende, wenn es morgens um den Platz in der U-Bahn geht! Da wird geschubst und
gedrängelt, von Außen wütend an die Scheiben des Wagens geklopft mit der
Aufforderung, im Gang noch bis auf den letzten Millimeter zusammenenzurutschen.
Die Leute sind aggressiv und schreien auch gerne mal rum. Selbst den
Schwangeren, die ihren “Tube-Schwangerschafts-Badge” tragen, wird nicht
unbedingt immer ein Sitzplatz angeboten genausowenig wie Junge für Alte
aufstehen.
Ähnlich aggressiv geht es in der Rush Hour
auch beim Fahrradfahren zu. Ich würde mich gar nicht trauen, langsam zu fahren,
um nicht Gefahr zu laufen, mit riskanten Überholmanövern von anderen Radfahrern
überholt zu werden. Mir reichen schon die Motorradfahrer, die auch kaum Abstand
lassen!
London von oben |
Es findet hier wirklich ein regelrechter
Wettkampf um die tollste (und teuerste) Geburtstagsparty statt. Da wird schon
für Einjährige eine riesen Fete geschmissen, inklusive gemieteter Halle,
Entertainer und Catering.
Ich habe allerdings gehört, dass das auch in
Deutschland immer mehr zunimmt. Wir haben das Glück, dass die Große viele
Drittgeborene in ihrer Klasse hat, die ihre Geburtstagsparties auch recht
häufig einfach zu Hause feiern. Daher ist der “Druck” in der Klasse etwas
geringer und nur wenige Kinder bestehen auf wirklich große Parties. Zumal das
ja auch eine Frage des Alters ist. Ich gehe davo aus, dass am 8 Geburtstag die
“Qualität” und nicht die “Quantität” zählt und wir dann vielleicht mit einer
handvoll Freunden etwas schönes machen.
Auch gewöhnungsbedürftig fand ich zunächst,
dass jede Party genau 2 Stunden ging. Und dann ist auch wirklich Schluss und
jeder geht nach Hause. Ich kenne das selbst noch von früher, dass zwar eine
Abholzeit auf der Einladung stand, diese aber eher flexibel war, weil ja doch
einige Eltern immer noch zum Quatschen geblieben sind.
Jetzt wo ich mich an diesen Umstand gewöhnt
habe, finde ich die zwei-Stunden-Regel aber auch eher positiv, weil meine Kids
einfach zu mega vielen Geburtstagen eingeladen werden, weil oft die ganze
Klasse eingeladen wird. Da ist das ganz angenehm, dass der Spuk – der
eigentlich fast immer am Wochenende stattfindet – nach zwei Stunden vorbei ist!
Das gewöhnungsbedürftige
Gesundheitssystem
Ich kannte das “Hausarztmodell” schon in ähnlicher
Form aus Hong Kong, allerdings gibt es zwischen England und Hong Kong einen
gravierenden Unterschied: In Hong Kong konnte man wenigstens mit den Kindern
direkt zum Kinderarzt gehen, während man in UK eigentlich nie einen Kinderarzt
sieht. Es sei denn, das Kind landet im Krankenhaus (hatten wir auch schon wegen
gebrochenem Arm).
Man geht stattdessen mit den Kindern zum
Allgemeinarzt, der hier GP (General Practitioner) genannt wird. Da sieht man
oft auch nicht immer den gleichen und wenn man Glück hat, kennen sie sich mit
Kindern aus und können bei ganz viel Glück auch noch recht gut mit ihnen
umgehen.
Aber ich habe auch schon einige GPs mit den
Kindern gesehen, wo ich mich hinterher schlecht gefühlt habe, dass ich den
Kindern diese ruppige Untersuchung angetan habe, ohne mit einer hilfreichen
Diagnose wieder rausgegangen zu sein.
Man muss aber sehr wohl sagen, dass das
Gesundheitssystem – das ja auch kostenlos ist, was man nie vergessen sollte –
in ernsten Fällen gut funktioniert. Unsere Erfahrung in der ersten Hilfe wegen
gebrochenem Arm war wirklich einwandfrei! Aber wenn man hofft, dieselbe
ärztliche Betreuung oder Vorsorgeuntersuchungen wie in Deutschland zu bekommen,
muss ich euch leider enttäuschen.
London View |
Alles schlecht am Leben in
London?
NEIN! Absolut nicht! Wir lieben unser Leben in
London, die Möglichkeiten, die es für uns bietet und wir wollen auch die
Internationalität nicht missen, die uns sehr gut gefällt. Wir haben durch unser
Leben in Hong Kong und jetzt in London unseren Horizont sehr erweitert (vor
allem ich war davor eher der Typ “engstirniger Heimscheißer” ;-)) und genießen
es zu beobachten, wie unsere Töchter völlig natürlich und ohne Berührungsängste
in dieser multikulturellen Umgebung großwerden.
Auch wenn sie es uns gegenüber nicht immer
zeigen, haben sie anderen gegenüber die Britische Höflichkeit bestens
angenommen und ich bin immer wieder entzückt, wenn ich von meinen Kindern
Komplimente für alltägliche Dinge, wie eine neue Hose oder anders drapierte
Haare, bekomme! 😀
Von so kleinen Dingen, wie sich gegenseitig
Komplimente machen, können wir Deutschen – ich definitiv eingeschlossen – uns
noch eine Scheibe abschneiden!
Wenn euch weitere Informationen über unser
Leben in London interessieren, schaut gerne einmal auf meinem Blog BerlOndon
Mama vorbei. Ihr könnt mir dort gerne auch eine Nachricht schreiben oder dort
oder hier Kommentare hinterlassen, wenn euch etwas Spezielles interessiert.
Vielen Dank und viele Grüße aus London
Uta x
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